Im Zuge der Vorarbeiten zur Revitalisierung der Grazer Burg fanden in den vergangenen Wochen archäologische Grabungen am Sitz der steirischen Landesregierung statt. Zum Abschluss der Grabungen wurden am 12. Dezember 2021 die gewonnenen Erkenntnisse und Ergebnisse der Öffentlichkeit präsentiert.
Die erste Phase der archäologischen Untersuchungen, die am 1. November begann und am 10. Dezember abgeschlossen wurde, hatte das Ziel, das archäologische Potenzial der für den Umbau geplanten Bereiche zu eruieren. Die Forschungen dienen einerseits der Gewinnung von neuen historischen Erkenntnissen, die in die Präsentation der Geschichte der Grazer Burg einfließen können, und ermöglichen andererseits eine solide Planung und Umsetzung der späteren Baumaßnahmen.
Das Team der Archäologinnen und Archäologen des Universalmuseums Joanneum untersuchte in rund 30 Arbeitstagen 17 archäologische Schnitte mit jeweils 4 bis 9 Quadratmeter Fläche, die in einigen Bereichen eine Tiefe von bis zu vier Metern erreichten. Die Schnitte wurden in den drei Burghöfen sowie in den Innenräumen des Karls-, Friedrichs- und Registraturtraktes der Grazer Burg angelegt.
Frühmittelalterliche Siedlungsspuren
Bei den Grabungen wurden Funde und Befunde aus unterschiedlichen Zeitepochen festgestellt und dokumentiert. Unter dem Pflaster des ersten Burghofs konnten z.B. die Fundamente des 1950 bis 1952 überbauten Teils der alten Burg freigelegt werden. Darunter befanden sich noch Spuren einer mittelalterlichen Besiedlung vor der Errichtung der Burg, mit der ab 1438 von Herzog Friedrich V., dem späteren Kaiser Friedrich III., begonnen wurde. Einzelfunde wie ein Ohrring in Halbmondform mit Glaseinlagen deuten sogar auf eine Besiedlung im Frühmittelalter (9.-10. Jahrhundert nach Chr.) hin.
Prähistorische Funde
Zur Überraschung des Grabungsteams haben die vielen mittelalterlichen und neuzeitlichen Baumaßnahmen im Burgareal die prähistorischen Befunde nicht massiv gestört. Es konnte eine bis zu ein Meter dicke prähistorische Kulturschicht untersucht werden. Zu den Kleinfunden gehört neben Tonscherben auch ein Armring aus Bronze, ein Metall, das in der Urgeschichte ein wertvoller Rohstoff für die Schmuck-, Waffen- und Werkzeugherstellung war. Die Objekte können in die Spätbronzezeit, die sogenannte Urnenfelderzeit (13.-9. Jahrhundert vor Chr.), datiert werden. Die prähistorischen Keramikfragmente belegen aber auch eine Besiedlung in der älteren Eisenzeit (9.-5. Jahrhundert vor Chr.) und sogar in der Kupferzeit (4. Jahrtausend vor Chr.).
Eines der frühesten Brandgräber der Steiermark entdeckt
In einem Grabungsschnitt unmittelbar am sogenannten Karlstrakt, dem Gebäude, in dem sich das Büro des Landeshauptmanns befindet, tauchte bei den archäologischen Grabungen in mehr als einem Meter Tiefe ein Scherbenhaufen zwischen großen Rundsteinen und winzigen Knochenresten auf. Es handelt sich um ein spätbronzezeitliches Brandgrab, das zu den frühesten Brandgräbern der Steiermark gehört. Das Grab wurde im Block geborgen und in die archäologische Restaurierwerkstatt des Joanneums transportiert.
Wissenschaftliche Auswertungen im Laufen
Weitere naturwissenschaftliche Analysen werden neue Erkenntnisse zum Leben der Menschen in der Steiermark vor mehr als 3.000 Jahren liefern. Die prähistorischen Funde und Befunde aus der Grazer Burg, zusammen mit den Funden vom Schlossberg, Karmeliterplatz und Landesarchiv, wo vor mehr als 20 Jahren ein ähnliches Grab entdeckt wurde, zeigen jedenfalls, dass die Grazer Stadtkrone seit Jahrtausenden ein beliebter Ansiedlungsort ist.
An einem historisch so bedeutenden Ort wie die Grazer Burg archäologisch zu forschen bringt viele Herausforderungen, aber auch eine große Verantwortung mit sich. Deshalb waren wir auf archäologische Funde aus allen Zeitepochen gut vorbereitet. Trotzdem versetzte uns fast jeder Grabungsschnitt ins Staunen. Das bronzezeitliche Grab ist nur ein Highlight der Grabungskampagne.
so Marko Mele, Grabungsleiter.
Fotos © Universalmuseum Joanneum